Rumänien oder Kassel – Art not smart

45 Euro für den ICE nach Kassel und zurück. 22 Euro für das Ticket zur internationale Kunstausstellung in Kassel – die Documenta. 35 Euro für den Flug nach Rumänien und 2,50 Euro für das Ticket zum örtlichen Kunstmuseum. Hat mir vor allem beigebracht, was ein/e Kurator/in eigentlich von Beruf macht.

Das Problem mit Erwartungen ist, dass sie erfüllt sein müssen, damit man halbwegs zufrieden ist. Und zufrieden ist man erst, wenn man beider maßen atemraubend überrascht und ergriffen ist. Die Erwartungen heutzutage sind groß. Nicht nur an jeden einzelnen von uns, sondern auch an das womit wir unsere Zeit verbringen, denn davon ist immer weniger da.

Die Documenta 14 in Kassel ist vom Niveau eine Ausstellung eines Kunstleistungskurses der 12 Klasse. Nicht, dass ich ein Kunstexperte bin. Ich bin keiner. In jeder Stadt, in die ich gehe, ist jedoch das Museum für moderne Kunst mein erstes Ziel. Warum? Weil ich gerne überrascht werde, weil ich kreatives sehen will, weil ich gerne Kunst machen würde und nicht weiß, ob ich gut genug bin.

Ich hasse die Menschen, die über moderne Kunst sagen: „Das könnte ich auch machen“. Aber sie es könnten es nicht. Un neben der Technik geht es auch um den Einsatz der Technik und um die Idee.

Seit der Documenta habe ich neues Vertrauen in mich. Denn das kann nun wirklich (fast) jeder. Es gab nur wenige Kunstwerke, die beeindruckend waren. Die meisten waren ein Witz, eine Enttäuschung oder schlecht inszeniert. Der Rest war banal.

Die Documenta-Halle war brennend heiß. Die Menschen haben sich im schmalen Eingang gestaut und die Kunstwerke gleich zu Beginn sind untergegangen in der Hitze. In der selben Halle waren einige der wenigen interessanten Werke. Ein Werk von Britta Marakatt-Labba, das in einer wunderschönen Präzision und Verspieltheit die Geschichte ihres Heimatortes erzählt. Ist es „nur“ Kunsthandwerk? War das Kunst? Spielt dies überhaupt eine Rolle? Miriam Cahn – ganz offensichtlich gut in ihrer rohen Gewalt. Und wahrscheinlich das einzige Werk zur Flüchtlingsthematik, dass nicht augenscheinlich banal in seiner Botschaft war.

Banal war wirklich eines der Stichworte dieser Documenta. Ich stand in der Halle und habe zufällig mitgehört, wie eine Gruppe von Spaziergängern das Werk von Aboubakar Fofana in einer herrlich monotonen Stimme beschreibt: „Naja, räuspeln, Sie wissen ja, wo unsere Kleidung produziert wird und dass das unter ganz schlimmen Bedingungen passiert. Pause. Darum geht es in diesem Werk“ (ausgestellt sind hängende weiße und blaue Stoffe). Ja, das weiß ich und die anderen auch und eigentlich jeder moderne Mensch. Die Botschaften dieser Documenta waren simpel: Rassismus ist schlecht, Nazis sind böse, Umweltschutz ist wichtig, Flüchtlingen muss man helfen, ach ja Krieg auch schlecht und alles global und so nicht gut.

Ein Diskurs wird so nicht möglich. Wenn die Kunstwerke wenigstens technisch, von der Mache her, von der Idee her, überzeugt hätten. Durch eine Botschaft alleine wird Kunst nicht besser. Es ist cool, wenn Kunst Botschaften trägt. Aber diese müssen den Konflikt dieser Welt darstellen. Das Wahrheiten nicht so einfach sind. Frauen haben das Recht auf Selbstbestimmung – bis wohin und wann fängt das Recht des Neugeborenen an?  Flüchtlingen muss man helfen und was wenn man sich dadurch (noch mehr) Terrorismus ins Land holt? Stimmt das überhaupt? Kunst muss mehr als die montone Einstimmigkeit von Tagesschau-Sprechern wiederzugeben.

Und dunkel war es. Inszenierung fängt damit an, dass man das Zeug auch vernünftig sehen kann.

Was Licht, Raum und Inszenierung für Kunst machen können, hat sich mir um so mehr in Timisoara gezeigt. Ein Ort, den ich niemals auf der Landkarte gesehen hätte. Ein Ort, wo ich nur zufällig in das Museum für moderne Kunst gegangen bin, weil ich nichts besseres zu tun hatte. eine Ausstellung, die es geschafft hat, Barocke Kunst und moderne Kunst auf unglaublich kreative weise zu verknüpfen in der jeder seinen Platz hat. Auf der einen Ebene Portraits von Baba. Fotografien der Stillleben von Tomar. Daneben Fotos moderner Künstler, die die Bilder nachgeahmt haben, sodass kein Unterschied zu erkennen war. Aber auch Fotografie die sie neu interpretiert haben und den Betrachter zum Lachen und zum Erröten bringen. Auf der obersten Ebene in den großen prunkvollen Sälen des Museums die übergroßen Skulpturen von Moldevan. Moderne Kunst at its best.

Die Kunst ist schon gut. Die Message ist da. Die Form ist grotesk, in ihrer Figuralität jedoch barock. Und die Ausstellung damit unglaublich gut gemacht. Alles hat seinen Platz – man geht und ist erstaunt, überrascht, man ist zufrieden. Die Erwartungen sind übertroffen. Das kann nicht jeder. Das können die wenigsten. Die Documenta konnte das nicht.

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