Woher und wohin

WOHER wir kommen und WOHIN wir gehen sind zwei voneinander untrennbare Dinge. Ich denke oft darüber nach, warum ich tue, was ich tue und warum ich bin wie ich bin. Eine der größten Illusionen der Menschen ist zu glauben, dass sie einen vollkommen freien Willen haben. Wenn man sich verstärkt mit Neurowissenschaften und Psychologie beschäftigt, weiß man, dass der Mensch zu einem sehr großen Teil fremdbestimmt ist. Zum einen liegt diese Fremdbestimmung in der Psyche des Individuums und der Gruppe. Viele Forscher wie Milgram, Asch, Zimbardo und co. haben in sozialpsychologischen Experimenten dargestellt wie beeinflussbar unser Handeln ist, wenn wir z.B. in Gruppen- oder Konformitätssituationen gebracht werden. Milgram gab realen Probanden die Aufgabe als Lehrer einem Schüler das richtige Zusammensetzten von Wortpaaren beizubringen. Wenn der Schüler (ein Schauspieler) einen Fehler machte, sollte dieser mit einem Stromschlag bestraft werden. Der Versuchsleiter saß dabei mit im Raum mit dem Lehrer. Schüler und Lehrer konnten einander nicht sehen, aber hören. Der richtigen Versuchsperson wurde am Anfang ein leichter Stromschlag gegeben, damit diese die Intensität ihrer Bestrafung abschätzen konnte. Das Result dieses grausigen Experiments war, dass die Probanden, weil ihnen eine Lehrerrolle zugeteilt worden ist, so starke (fake) Stromschläge verteilt haben, dass eine reale Person längst dabei gestorben wäre. Auch die Schmerzenschreie, das Flehen und spätere Verstummen des Schülers (natürlich ein Schauspieler), hielten die Probanden nicht davon ab ihre „Aufgabe“ zu erfüllen. Das heißt nicht, dass sie es gerne taten. Viele wendeten sich an den Versuchsleiter und gerieten unter enormen Druck und in offensichtliches Unbehagen. Der Versuchsleiter gab auf Anfrage immer nur wieder die Anweisung weiterzumachen. Und was taten die Probanden? Sie machten weiter.

(Zu dem Thema wie unsere Hormone uns auf beängstigende Art und Weise steuern empfehle ich euch diesen Artikel: http://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/04/hormone-haushalt-botenstoffe.)

Ich denke ähnlich verhält es sich mit unserem Charakter. Wenn ich mir anschaue, warum ich bin wie ich bin, dann muss ich mir nur meine Eltern angucken. Meine Großmutter war eine Kriegsweise und hat mit 18 Jahren geheiratet. Sie hat ihre Kinder geliebt, war aber keine warme, offensichtlich liebende Mutter. Meine Mutter hingegen ist ein sehr liebesbedürftiger Mensch, der darunter sehr gelitten haben muss. Und ich? Meine Mutter reagiert sehr sensibel auf jede Form von Ablehnung und reagiert wiederum ihrerseits mit Liebesentzug. Sie macht das nicht mit Absicht. Sie hat es wahrscheinlich in ihrer Kindheit so gelernt. Aber das ist jetzt unsere Dynamik. Ich wiederum bin deshalb viel zu sehr harmoniebedürftig und vermeide Streit bzw. halte ihn nicht lange aus und bin viel zu sehr von der Zustimmung meiner Mutter abhängig. Und das in meinem Alter.

Mir fällt es schwer dies zuzugeben. Ich bin nicht so frei in meinem Handeln und Leben und Denken wie ich gerne wäre. Versteht mich nicht falsch. Ich bin der letzte Mensch, der seinen Eltern an allem die Schuld gibt. Und ich glaube es ist auch total unproduktiv dies zu tun. Aber ich finde es wichtig über sich selbst und warum man ist wie man ist zu reflektieren.  Ich würde mir oft wünschen meinen alten Adam ablegen zu können. Aber was, wenn dies bedeutet, die Menschen, die man liebt zu verletzen? Was wenn man das nicht will? Was wenn es anders nicht geht?

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