Shades of illusion

Und wieder ein Shades-of-Grey-Roman, aber diesmal aus der Perspektive des Hauptdarstellers Christian. Zugegeben interessanter, da es einen Einblick erlaubt in die männliche Sicht dieses schrägen Beziehungsstarts. Und da der Leser noch nicht ausgequetscht ist finanziell, passend in nur einem Buch erzählt, sodass man sich auf Fortsetzung 2 und 3 freuen kann.

Versteht mich nicht falsch. Ich habe die komplette Reihe auch gelesen. Die Bücher sind uneingeschränkt unterhaltsam und haben offensichtlich einen Zeitnerv getroffen. Aber ich wünschte mir doch der weibliche Leser wäre etwas anspruchsvoller. Letztlich erzählt das Buch in sehr flachen Figuren das Märchen vom schönen Prinzen, der die arme Magd erobert und rettet. Ok, dieser Prinz ist ein bisschen schwierig and he likes it rough. Aber davon abgesehen ist sein Charakter in drei Sätzen erklärt. Er ist super ehrgeizig und deshalb super reich. Es hatte eine schlimme Kindheit/Mutter und hat deshalb Bindungsprobleme. Er ist einsam und deshalb mag er Anna. Sie ist die arme Studentin. Daneben ist ihr Charakter natürlich weniger der Stereotyp, weil sie nicht wie sonst von dieser Generation behauptet mit jedem ins Bett springt. Aber kann der Leser oder besser die Leserin sich wirklich mit ihr identifizieren? Ist sie wirklich eine reale Person? Ich meine ihr einziges Figurproblem ist es zu dünn zu sein…wie tragisch. Sie mag Bücher. Und noch schlimmer sie ist 21 und hatte noch nie nie Sex.

Und an dieser Stelle will ich betonen, was wirklich das Problem ist an der Shades-of-Grey Reihe. Diese unrealistischen Erwartungen an Beziehungen und SEX. Sie ist 21 und hatte noch nie Sex und Christian liebt es ihr aller erster Mann gewesen zu sein. Behhh diese Jungfrauenvergötterung, die ein unrealistisches Bild über die normale Frau malt. Müssen wir uns jetzt alle schlecht fühlen, weil wir eine Sexualität haben, die wir ausleben und dass bevor wir das offizielle Alter erreichen, bei dem man in vielen Ländern anfangen kann zu trinken?

Die wahren Fans schreien jetzt auf und sagen:  Aber sie erlebt und erspürt und entdeckt doch gerade in diesen Büchern ihre Sexualität! Ich bin aber der Meinung, dass das Buch gerade hier ein falsches Bild malt über das leben, erleben und explorieren der eigenen Sexualität. Es ist der Porno für die Frau. Und zwar im negativsten Sinn. Anna ist Jungfrau. Sie haben das erste Mal Sex. Er zieht ein bisschen an ihren Nippeln und oh oh ja ja oh Gott ja. Sie hat ihren ersten Orgasmus. WTF?! Diese Szene habe ich schon mit verschiedenen (sonst sehr selbstbewussten) Frauen diskutiert, die mich dann gefragt haben, ob es normal ist, dass sie nicht so schnell kommen. Ich kann dazu nur sagen: schön für jeden bei dem Nippel-Spiele schon ausreichen. Aber jeden anderen macht das doch fertig. Der Druck auf Frauen steigt schon bei dem Anblick eines Christian Greys den ersten Orgasmus zu haben und auf Männer ebenso. Haben sie jemals einen Liebhaber gehabt, der sie durch das Ziehen und Spielen ihrer Nippel zum Orgasmus gebracht hat? Das war bestimmt ein Zauberer:) Und dieser schöne Realismus über die Sexualität zieht sich weiter durch die anderen Bücher. Eine meiner Lieblingsszenen ist die (spoileralert), wo Christian einen Hubschrauberunfall hat, ca. 40km durch die Pampa wandert, dann weiter fährt bis nach Hause und es dann abends dennoch schafft Anna sexuell zu befriedigen wie keiner jemals zu vor. Also mein Freund hat schon Probleme, wenn es draußen schwül und heiß ist. Und das ist auch ok.

Diese Bücher schaffen unrealistische Erwartungen. Männer, ja wirklich, sind auch nur Menschen und Lust kommt wenn sie kommt. Und wenn’s mal nicht so läuft ist das auch kein Problem. Weil wenn es ein Problem ist, wird zu einem Problem.

Ich will das erklären. Ich saß mal in einer Vorlesung zur Sexualpsychologie. Die Professorin hat viele Fallbeispiele genannt. Also anonymisierte aber reale Patientengeschichten. In einer ging es um ein Paar, dass einige Monate zusammen war. Einmal beim Sex ist seine Erektion flöten gegangen und was macht seine Partnerin? Sie fängt völlig hysterisch an zu weinen. Das Ende der Geschichte war natürlich, dass seitdem bei ihm gar nichts mehr ging und die beiden erst zwei Jahre später in die Therapie gegangen sind, um das zu klären. Ich saß dann mit ein paar anderen Studentinnen bei einem Eis nach der Vorlesung zusammen und habe mich über das Falschbeispiel unterhalten. Und da sieht man was für einen Lerneffekt die Uni hat. Eine Kommilitonin meinte dann so, wenn ihr das jemals passieren würde – dass ein Mann seine Erektion während des Sexes verliert – würde sie zu mindestens innerlich bitter weinen. Aha.

Wie kann man so eine normale Sexualität aufbauen, wenn vom Mann immer die MAXIMALE Performance erwartet wird, wenn die Frau jedes Mal Jungfrau sein soll,  wenn die Frau bereit sein soll alles Mögliche experimentell auszuprobieren wie ein Laborkaninchen, wenn der Mann immer bereit sein und sich immer was Neues, ganz Spezielles ausdenken muss. Wird Sex dann nicht super anstrengend? Muss ich immer überlegen, ob das, was ich jetzt gerade tue auch sexy ist? Und was, wenn es mal nicht klappt? Dann macht man halt später weiter:)

Ich glaube wirklich, dass solche Bücher daher im negativsten Sinn die neue Form von Disney-Märchen sind. Es gibt natürlich noch andere, wie z.B. die Cross-Fire-Serie von Sylvia Day. Natürlich sind diese Bücher unterhaltsam. Aber man sollte sie reflektieren. Unbedingt! Und eines haben diese Bücher fast immer gemeinsam. Die portraitierten Männer in diesen Büchern sind immer extrem, wirklich extrem erfolgreich, immer extrem extrem reich und immer extrem extrem attraktiv. Wer will auch schon mit einem armen Mann ficken? Kann man darüber überhaupt ein Buch schreiben, dass sich gleich gut verkauft? Natürlich nicht. Weil die Christian Greys von heute, die Prinzen unseren Kindergeschichten von damals sind.

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